Tollkühne Wagnis

Meine Realität ist anders. Fabelhaft und außerhalb der Norm erscheint ihr der Himmel strahlend blau und die Wolken verzückend trüb. Wie sie hinüberziehen, eifrig, fasziniert und besessen von ihrem Treiben. Diese Realität ist erfüllt von Rhythmus und Melodie, sie summt und schwingt, Harmonie ist ihr elementarstes Verlangen, fundamental und beständig ist ihr Glück. In ihr bildet die Freude den o Ton und die Fußnote.

Reinheit und wohlwollendes Wachstum gebären sie in beständigen Wogen. Schwemmen als schäumende Wellen aus dem Meer an ein Land des Lernens. Hier zählt nur dein Innerstes und das was davon übrig bleibt wenn man all die überflüssigen Schichten abschält. Geboren in Einheit tanzen die kollidierte Ordnung und ich einander gegenüber in Hingabe und Liebkosung. Du bist frei und ich bin es auch, denn deine Vergangenheit und Zukunft bilden ein endloses Netz aus ewigen geboren werden.

Wir sprechen dieselbe Sprache, haben dieselben Ohren, eine solche der Musik und des Tanzes. Wir verbinden, begegnen einander, eine Liebe die alles erfüllt. Die Flucht vor der Furcht des Vergänglichen vor der Wissenschaft einer verjährten Rationalität. Eine Ode an unbegrenzte Fantasie und raumlose Vorstellung. Wir sind keine Kinder der Traurigkeit, keine des Verdrusses, wir sind Kinder der Sonne, des Windes und dem horizontlosen Meer. Dem Leid gibt man keine Tilgung, denn wir kennen seine Wahrhaftigkeit und sprengen sie mit dem eigenen Erleben und einer unvorstellbaren Entartung ihresgleichen. Wir verschlingen die Furcht vor dem Unbekannten, empfangen den Geruch von verbrannter Erde. Wir sind Kinder der Einheit, geprägt von sinnlicher Wahrnehmung. Sie beschriebt nur annähernd, was wir in unserem Herzen tragen. Wir singen die Hymne der Unendlichkeit, ihre Tonfolge der Inbrunst, ungehalten und ungestüm. Wir zerstückeln zusammen das Getrenntsein hin zu einheitlicher Existenz, hin zu seinen minimalsten Bestandteilen.

Wir vereinen und verbinden, bis etwaiges gebildet ist: unser selbst. Der Einklang mit uns und der selbigen Resonanz. Du hörst die Musik nicht mehr länger, du spürst sie. Jeder Ton bildet das Gegenstück zu deinem jähen Dasein. Das Tauchen in grenzenlose Tiefen. Wohin treiben wir im Fluss dieser ungestümen Wogen? Ich bin um so viel drüber, so furchtbar betrunken, so berauscht, so endlos entzückt, ergriffen und vernarrt. Rasend besessen von dieser bezaubernden Art des Ausdrucks. Bereit auf das Unsagbare, überschwemmt vom Meer aus Vielfalt und Dimension. Ich bin weder krank noch gesund, ein gleichbleibender Zustand währender Akzeptanz des Unabänderlichen. Das gefährliche an mir ist, dass ich im Gegensatz zu dir nichts mehr zu verlieren habe. Schon vor so langer Zeit ließ ich los, ließ es geschehen, gab mich dessen hin was jeher eine unbekannte Konstante bildete. Arbeitete mit ihr zusammen hin zur Gefühllosigkeit und wieder zurück zu hemmungslosen Emotionen.

Nur wenige Menschen wissen es in die Abgründe dieser fantastischen Realität hinabzusteigen, sie zu überwinden und als unbesiegbare Instanz zurück ins Leben zu finden. Erst das schwelgen im eigenen Schmerz, das laben von ihm lässt dich zu etwas werden, was zu begreifen nur jenen möglich ist, deren Seele in den Abgrund stieg. Wenn du deine Nägel in die Haut krallst und sie eigens von deinem Körper schälst, dich selbst häutest bis zum Erkennen der essenziellen Lebendigkeit, welche alles übersteigt, dann bist du bereit du sehen. Überwältigt vom Erkennen musst du niemanden mehr beweisen was in dir steckt, denn du fühlst es mit jeder Faser. Die Wahrheit ist ein Teil von dir, ihr beschreitet diesen Weg gemeinsam bis zur Unkenntlichkeit. Jeder mikroskopisch kleinste Teil konnte diese eine wesentliche Information in sich manifestieren. Deine Konditionierung legt seinen Fokus längst nicht mehr an die strukturellen Züge des Außens, es manifestiert das Außen durch deinen Willen das Innerste zu formen, ihm Kontur und Detail einzuverleiben. Und so schreite ich durch die Welt mit dem Bewusstsein und der Wahrnehmung etwas, was zu beschrieben wahrhaftig ist. Einer lichten Euphorie der Absurdität, von ihrer Normalität abweichend. Den Blick geschärft für das Unmögliche, die Augen offen gegenüber dem Außergewöhnlichen.

Die Schatten durchschauend, welche die Höhle einfältig säumen. Lass Mut den Inhalt bestimmen, indem man anderen zeigt, dass der Schritt weiter möglich ist. Dass es wert ist ihn zu beschreiten. Die Gewohnheit durchbrechend, sie übersteigend. Wir bilden neue Grundsätze, um sie in jenes eng gesponnene Netz einzuspeisen, es neu zu bilden ihm eine Struktur zu geben von der niemand ahnte, dass es sie gäbe. Lass dich von mir verzaubern, lass mich dich an die Magie einer anderen Welt glauben. Lass mich dich an etwas glauben, dass gelebt werden will. Lass mich dich darin ertränken, um dir ein neues Leben zu schenken. Gemeinsam entdecken wir neue Gefilde, irren in anderen Herrlichkeiten. Gemeinsam ist unsere Realität horizontale Willkür und das Chaos ist der Ordnung Rhythmus.

Betrachtung

Wie ein Stück Papier im Wind schwebend, treibt es sanft in erratischen Stößen vor sich her. Neugierig beobachtest du das schwerelose Schauspiel, während alles um dich herum in Hast an dir vorbeizieht. Nur willkürlich fängst du die angestrengten Blicke der hetzenden Menschen ein. Jenen Menschen, den man zumeist ansieht, dass ihnen der Druck der Zeit im Nacken sitzt. Doch du bist indessen ganz still, nur dein Herz pumpt in fleißigen Schlägen das Blut durch deinen Kreislauf und deine Lunge den Sauerstoff in deine Zellen. Kein Muskel ist angespannt, alles sitzt locker an deinem Körper, der gelöst ist von allem, was um ihn herum passiert. Die schon etwas morschen Holzpaneele der Bank unter dir tragen dein Gewicht mit Kontinuität und Leichtigkeit. Hier wartet keine Verpflichtung, kein Wagnis, auch jegliches Begehren ist mittlerweile anachronistisch. Deine Wahrnehmung reduziert sich auf die Präsenz der frischen Luft und das sachte Schattenspiel der Bäume und Häuser vor dir. Wie lange Fühler strecken sie sich zu allen Seiten hin aus, streichen mit gleichmäßiger Geschwindigkeit über den Boden, dabei im Gleichschritt mit dem Lauf der Sonne über dir fortschreitend. Es ist schwer sich an irgendetwas zu erinnern, noch schwerer über etwas nachzudenken, weder über das was dich in Zukunft erwarten würde, noch über das was jemals war. Momentan existiert nur dein Geist, mit der Wahrnehmung jener sanften Brise auf deiner Haut, welche auch das Blatt Papier weiterhin in einem sachten Rhythmus schweben lässt. Kaum berühren die Ecken seiner hexagonalen Form einmal den Boden, erhebt es sich wenig später auch schon wieder in die Luft. Die Wärme auf deiner Haut wiegt dich in Sicherheit, dein Inneres selbst bettet sich darin, die Art des gänzlich Unaufgeregten genießend. Einige nur wenige Blicke bleiben auf dir haften, um doch nur schnell in reger Betriebsamkeit weiterzuziehen. Auch wenn es sich denken ließe, da ist keiner der auf dich warten würde, keine Verabredung, kein Treffen, dir jedenfalls nicht erinnerlich. Das geschlossene Schauspiel dieser plastischen Szenerie legt sich einfach wohlig um dich und deinen Geist, wie ein Schleier des Vergessens, der ewigen Sorglosigkeit, des permanenten Gewahrseins. Das Spektrum an Farben, jede einzelne Regung, all die simultan ablaufenden Begebenheiten, alles transzendiert dich mit einer harmonischen Melodie und du bist dankbar dafür gelernt zu haben, wie man zuhört. Wie ein Gefäß, welches sich sanft befüllen lässt. Bewusst über die Unausweichlichkeit jenen Punktes, an dem du ablässt und dich weiterbegibst, sobald es gänzlich voll sein würde.

Hier schreibt keiner Geschichte, kein enormes Ereignis passiert, welches im Folgenden die Klatschspalten der Presse füllen würden. Nichts abnormes, sondern vielmehr nur limitiert zusammenpresste Normalität. Im Grunde genommen passiert für die Wahrnehmung der subjektiven Realität der Vielen sehr wenig, doch für die Wahrnehmung des Einzelnen seiner substanziellen Komplexität, sehr viel. All das kann dein Geist erfassen, können deine Augen sehen. Und auch dafür bist du dankbar. Zu gerne würdest du spielerisch die Finger ausstrecken, das tänzelnde Blatt Papier auf der anderen Straßenseite berühren und dich mit ihm in die haltlose Verzückung begeben, in welcher es vor sich hin schwelgt. Keinen direkten Befehl erteilend, dich des Automatismus bedienend, welcher deine Füße erreicht und sie sich heben lässt, raffst du dich auf. Du betrachtest die schwarze konturreiche Säule vor dir, deren Gegenstück auf der anderen Straßenseite ein leuchtend rotes Symbol erscheinen lässt. Trotz der frontalen Einstrahlung der Sonne, ist das Zeichen kräftig und deutlich erkennbar. Lässig setzt du deinen Fuß, einen vor den anderen, auf den warmen Asphalt vor dir. Deine Ohren vernehmen zwar die sich verändernde tosende Atmosphäre, die plötzlich heftigen Reaktionen, den Geruch von verbrannten Gummi, doch nichts davon berührt deinen Geist wahrhaftig. Du gleitest weiter in die Materie aus Dualität, währenddessen sich die Zeit bis ins Unendliche zu dehnen scheint. Nichts passiert ganz schnell oder überraschend, du kannst jede Einzelheit der sich ändernden Punkte dieser Gegenwartskonstruktion wahrnehmen und aktiv durch dein Bewusstsein strömen lassen. Das Blatt Papier auf der anderen Seite fokussierend, vernimmst du die leichten Lichtschimmer, welche sich in perlmuttfarbenen Reflexen auf dem diaphanen Papier zu spiegeln scheinen. Bereit dein Herz zu öffnen um die Vielzahl an Farben in dir zu erfassen, lässt du deinen Geist noch ruhiger werden. Immer tiefer fallend in diese reine Quelle der Wahrnehmung, während alles um dich herum hohl und stumpf zusammenklebt. Den Schmerz gar nicht wirklich spürend, streckst du immer noch deine Finger aus in der Hoffnung es endlich berühren zu können. Und tatsächlich streifen deine Kuppen sacht über die glatte Oberfläche des Hexagons. Eine Berührung so hauchzart, dass du dir nicht mehr sicher bist, ob sie wirklich real ist. Doch das Prickeln auf deiner Haut verrät dir die Wahrheit. Wie flüssiger Bernstein überstülpt sich deine Haut mit feuchter Wärme, die Sonne über dir ist rückt ein Stück weiter, ihrem sich wiederholenden Zyklus folgend. Träge zieht sie die Schatten weiter mit sich. Der Geschmack von bitteren Metall benetzt deine Zunge, deine Wahrnehmung flackert, alles ist noch immer von weicher Watte umhüllt. Ferner ist da nach wie vor kein Gedanke, keine Ahnung von einer möglichen Zukunft oder dem Vergangenen. Die vom Asphalt abgestrahlte angenehme Wärme spürend, welche sich über deine gesamte untere Körperhälfte hinweg ausbreitet, liegst du in völliger Reglosigkeit da. Etwas oder jemand packt dich, entzieht dich jener Geborgenheit die du bis eben so herzlich willkommen hießt. Doch du lässt es geschehen, weil alles nur kontinuierlich unaufhörlich und unabdingbar geschieht. Es wird nicht mehr oder weniger geben als das Jetzige und darin findest du diese ewige Liebkosung einer so fiktiven Realität, welcher du jeher so ergeben gegenüberstandest und auch immer gegenüber gestellt sein wirst.

Entsagung

Es schnürt dir die Luft ab, bebend um den nächsten Atemzug ringend, weitest du deinen Brustkorb. Wie konnte es dir nur abhanden kommen, wo du es doch bis eben noch in deinen nun zittrigen Händen hieltest. Etwas so Kostbares darf einfach nicht verschwinden, es zu verlieren bedeute die Unerreichbarkeit deines weiteren Vorhabens. Die Bewusstheit über dieses Faktum gräbt sich dir bis ins Mark, ätzt eine bleibend unauslöschliche Gravur in dein Leib. Bis eben war doch noch alles in Ordnung. Dein Selbst nestelte an der dir sukzessiv zuteil gewordenen Sicherheit herum und labte sich vergnüglich an dem so verzückend vertrauten Naturell. So lange wast du schon damit beschäftigt zu warten, dass du gar nicht bemerktest wie es dich in ihre Illusion mit einsponn und dich vom Wesentlichen ablenkte. Und nun ist es endgültig fort, verloren im eisigen Firnfeld, darin bis zur Unkenntlichkeit verschmelzend wie ein Tropfen im Meer. Womit warst du dir eigentlich so sicher? Vielleicht spielt dein Kopf nur ein doppeltes Spiel, einen üblen Streich, deinen Verstand dabei hintergehend und deine bisherigen Annahmen leugnend. Es fällt dir zunehmend schwerer kausal nachzuvollziehen, ob es denn jemals da war und in welchem Sinne es je zu dir gehören sollte. Vollumfänglich beginnt dein Geist mit der vertrauten Arbeit, spinnt Hypothesen und Gedankengeflächte, wägt Eventualitäten ab und kommt immer wieder an den selben Punkt jeglicher Auffassungsgabe. Einen von vielen jener holistischen Wissensakkumulation. Auf die Heftigkeit, mit der dich die Wahrheit infiltriert warst du so nicht vorbereitet. Hättest es nie sein können, denn selbst die manifestesten Glaubenssätze dröseln sich bis zum wesentlichen Kern auf und erlauben dir den Blick auf etwas zuvor noch nie Gesehenes. Eine Art Erinnerung, eine Ahnung von etwas das es dir unmöglich werden lässt es auch nur im Ansatz beschreiben zu wollen. Als sei es dir wieder erinnerlich, was schon so unaussprechlich lange im Verborgenen lag. Du hast keine Ahnung von dem gesamten Ausmaß des Zusammenhanges, welcher sich dir schon ergab noch bevor du es zu wissen glaubtest. Der Glaube daran wohnt dir inne und ist dennoch der falsche Ausdruck für das eigentlich Unbeschreibliche. Vielmehr wurde diese konkrete Wahrheit ein wesentlich beständiger Teil von dir, eine über lange Zeit organisch gebildete Einheit. Eine unverzichtbare Entität, welche dazu benötigt würde den weiteren Schleier zu lichten und durch das Trübe hindurch klar sehen zu können. Wie sollte etwas abhanden kommen, das untrennbar mit dir verwoben ist, von allen Seiten, aus allen Spheren der Existenz hinaus. Du beginnst dich zu wundern wie du überhaupt zu diesem Schluss kamst es verloren geglaubt zu haben.

Doch irgendetwas drückt noch immer beständig gegen deine Brust, erschwert dir das Atmen, gibt dir das Gefühl von Machtlosigkeit. Das Gefühl etwas würde dir kontinuierlich durch die Finger rinnen und dir entgleiten. Deine Hände zu Fäusten ballend, spannst du Muskeln und Sehnen in deinen Fingern, beginnst deinen Willen unter Aufbringung höchster Kraft zu formen, sodass er auf deinen Befehl gehorchend fokussiert und bereit ist genutzt zu werden. Langsam lässt du ihn durch deinen Körper gleiten, bis er jeden Winkel erfüllt und jede Zelle durchlaufen hat. Auf Gehorch hin, strömt er nach außen und beginnt auch hier jede ihm begegnende Instanz zu prägen. Dieses Außen ist nur der Spiegel, welcher dir aufzuzeigen vermag was du in deinem Innersten lebst. Den Druck von deiner Brust nehmend, umhüllen dich Wogen der Ruhe. Eine Gelassenheit wird dir zuteil, welche dich vergessen lässt wonach du überhaupt suchtest. Denn alles von Nöten geglaubte befindet sich unlängst hier bei dir, in deiner Hand, in der im Jetzt befindlichen Realität. Der Schleier jeglicher Illusion ist fort und das Gefühl des Verlustes mit ihm. Du hattest es nie verloren und musst dich auch nicht mehr auf die Suche begeben, alles was du je brauchtest befindet sich in seit jeher unlängst in deiner elementarsten Substanz. Was da zerrinnt, ist nicht fort, sondern begegnet dir in einem anderen Gegenwartsgeschehen wieder. Alles was du tust ist das bereits Zerronnene zu formen, es dir zu eigen zu machen. Dein Körper entspannst sich zunehmend, denn es ist dir endlich möglich tatsächlich zu sehen. Mit geschlossenen Augen schaust du weit in die Ferne und erblickst die Zugehörigkeit, nach der du dich ferner sehntest. Dein Mut, dein Wille, deine Kraft werden belohnt, das Kinn gen Sonne reckend, welche dir warm ins Gesicht scheint, bist du bereit für alle Herausforderungen die auf dich warten mögen. Denn du bist dir deiner selbst sicher und unverrückbar. Du kannst nichts mehr verlieren, dass du nicht schon längst losließt.

Inkohärenz

Endlich schwerelos sein. Erratisch durch Zeit und Raum fliegen, wie ein Staubkorn im Äther. Sich dabei von Atmosphäre und Entität formen lassen, wie eine Schneeflocke im freien Fall. Leicht und unbedarft sein, der formlosen Grenzenlosigkeit entgegen. Bedingungslos entfesselt und federleicht wie ein kreisender Vogel am Himmel. Endlich loslassen können, Sehnsuchtsvoll durch die Weiten der eigenen Existenz treiben. Einfach nur ewig fallen lassen und den Boden nie erreichen müssen. Endlos hoch fliegen und niemals ankommen, immer weiter und immer höher, überall und immer. Analog zum nirgendwo und nimmer. An welchem Ort kann man endlich alles ablegen, alles von sich reißen, bis nur noch die elementarste Substanz bleibt? Wo verstecken sich die Obstplantagen, unter dessen Bäumen man endlich den so lang ersehnten Schatten findet, der einen vor den schonungslos gleißenden Sonnenstrahlen schützt. Wie weit muss man noch gehen, bis einen die Füße nicht länger tragen ? Wie lange ist man noch an etwas gebunden worin man einfach keinen Glauben finden kann ?

Will nur so unendlich dringend bedingungslos werden. Der Wunsch nach Erlösung und Vergebung sucht schon so lange vergebens nach Erfüllung. Brauche ein Stück Zuflucht, die mir diese Welt nicht mehr länger bieten kann. Alles in mir drängt einer zeitlosen Leere entgegen. Schon so verflochten, dass es schier unmöglich ist sich zu lösen. Will das gesamte Seil auf einmal aufdröseln, bis nichts mehr davon übrig bleibt außer lose Fäden. Ich weiß welche Bestimmung es gilt zu erfüllen und mit ihr diesem ganz bestimmten Ort zu erreichen. Diese Worte sind nur Ausdruck dessen, wohin ich gehen muss, um mir jene sehnsuchtsvolle Stille einzuverleiben. Ich dürste so dringlich nach ihr. Sag mir wie weit müssen mich meine Füße noch tragen? Wann erhalte ich die Antwort ??

Das Dasein selbst ist so fremd geworden. Nichts besitzt mehr wahrhaftige Bedeutung, nichts mehr ist von wirklicher Relevanz. Alles passiert affektiv und unreflektiert. Diese Atmosphäre ist undurchsichtig, trüb und grau verschleiert. Visuelle Verzerrungen erschweren einem die Sicht auf das Wesentliche und es genügt einfach nicht mehr sie nur zu durchschauen. Will sie so unbedingt und absolut überwinden, aber wie? Das Begehren nach Wahrheit ist unüberwindlich, vereinnahmend, es überwältigt Stund um Stund. Die Welt versengt sich in Tiefe und ich versinke mit ihr, in ihr und durch sie hindurch. Verheddere mich wie ein Fisch im ewigen Netz. Bin dabei allein und nur für mich, während der Sturm sich tosend über mir ergießt, den Untergrund dabei aufwühlend. Darauffolgender Donner vertreibt die Stille und ein unerschütterliches Rauschen ergreift das Trommelfell. Wieder und wieder finde ich mich am selben Punkt wieder, einen der etwaigen Unvernunft. Sie umhüllt mich, nimmt mich in sich auf, verschlingt mich unverzagt. Die Kälte zieht mir durch die Glieder bis sie steif werden und alles erstarrt. Wintersonnenwende. Warum kann man nicht länger an etwas glauben, dass man nicht versteht ? Die Wahrheit münzt sich unaufhörlich um in eine unaufhaltsame Lüge. Enttäuschung und der Wille zum Kampf vermischen sich zur explosiven Entartung, in welcher sich meine Existenz windet. Den Zünder halten andere in ihren Händen, immateriell und gut versteckt vor den Augen ihrer Gläubiger. Wie kann ich fliehen, wohin kann ich noch gehen ? Mein Geschick liegt nicht länger in meiner Hand, nur das Eine kann mich aus den Fängen meiner Feinde und Verfolger reißen. Ich kann sie sehen diese allumfassende Einheit, welche uns allen innewohnt. Es ist selbige die uns von dem Fundament unserer Substanz fernzuhalten versucht. Wie Sterne funkeln sie am Firmament, der Mond erhellt ihnen den Weg, dicht an dicht gedrängt, sind sie bewilligt ihm weiter zu folgen. Geduld ist die Tugend die es bedarf erlernt zu werden. Nur sie kann uns befreien, in dem Maße erlösen, all das Gewicht von unserem Brustkorb nehmen. Es wird ein leichtes sein, endlich befreit zu werden und schweben zu können. Kleine Ascheflökchen, welche um die Glut eines schon längst erloschenen Feuers tanzen. Also sag mir, wie lange können mich meine Füße noch tragen, bis alles erlischt?

Der Brand

Es brennt in dir, verschlingt das Fundament, verzehrt alles ihm im Wege stehende, bricht jeglichen Widerstand und jagt dich wild. Tosend wallt es an den Mauern und überwindet dabei jede Grenze: das frenetische Feuer. Die Hitze entzweit das Innerste, kappt die Verbindungen und lässt es langsam verglühen. Sich ergötzend verzehrt es sukzessive deine Substanz.

Unter der sengenden Hitze bersten die Balken allmählich, knacken gefährlich, bis sie schließlich nachgeben und zertrümmern. Rauch verschlingt die lebensnotwendigsten Bestandteile der dünnsten Kapillaren deiner Lunge, sie flehen nach so existenziellen Sauerstoff. Du willst, doch kannst ihnen nicht geben, wonach sie verlangen, bist starr und mechanisch.

Pass auf, sieh zu dass du entkommst, doch deine Beine protestieren, sind schwer und schleppend, sie tragen dich nicht länger. Die Kontrolle verlierend, verschleiert seine Sicht verschleiert, bis hin zur absoluten Unkenntlichkeit. Jeder deiner Sinne überreizt von den Extremen und der Kopf nicht mehr befähigt einen neuen Gedanken zu fassen. Unablässig und erbarmungslos wütet derweil ein tosend zermürbendes Feuer. Rücksichtslos nimmt es sich alles, was sich ihm in den Weg stellt. Das ist nicht länger mehr dein Zuhause hier, es ist die Ruine all dessen von dem du glaubtest es sei wahrhaftig und real. Die Bedingungen haben sich längst verändert, doch du bist stehen geblieben, als es eigentlich hieß mitzuziehen. Stille und Schweigen, das war das eigentliche Metronom jener Zeit, welches den so stetig monotonen Takt angab. Du warst so still, bist es noch, all die Farben verschwunden, die Nuancen eindimensional. Dabei brennt es doch überall, vernichtet alles so unaufhaltsam und beständig. Doch du bist tatenlos, vielleicht nicht willens genug etwas dagegen zu tun. Doch letztendlich fehlt es dir an einem probaten Mittel das Feuer endlich zu zähmen. Wie willst du dagegen ankämpfen, keine Hilfe von Außen, niemand der da ist, keiner den du rufen könntest, zerreißende Stille die dich nicht hört. Wie lange würde es wohl dauern, bis alles von einer Endgültigkeit zeugt, einer jenen die alles determiniert.

Hilflosigkeit und Ohnmacht befühlen deinen Kopf legen sich auf deine Hirnhaut wie ein dünnes Tuch und unterdrücken jeglichen Fluchtinstinkt. Du bist benebelt, kannst nur noch zusehen wie alles zerfällt. Es fühlt sich an wie das Ende einer Ära, es ist das Ende deiner Selbst. Du weißt nicht was danach kommen wird, du kannst nur schweigend beobachten. Der Himmel über dir ist bedeckt und grau, woanders klar und blau. Du erkennst es nicht im Dickicht der tosenden Flammen, aber du weißt dass es einen Ort gibt, an dem das Moos saftig feucht und grün ist. Du erinnerst dich daran, greifst diesen Gedanken auf und lässt ihn lebendig werden, der in sich durchnässte Boden, der trübe Dunst, der deine Haut feucht benetzt und plötzlich spürst du die Verbindung zu deinen Füßen, erlangst die Kontrolle zurück und machst einen schleppenden Schritt nach vorn. Einstweilen spürst du statt drückender Hitze klare und alles belebende Humidität. Deine Lungen ringen um einen Atemzug und das was sie erhaschen, entzieht dir das Gleichgewicht. Die Luft die du atmest ist von überwältigender Klarheit, so rein und frisch. Als bestünde sie aus ihren ursprünglichsten Komponenten. Sie bringt die so ersehnte Erlösung für dein Atemapperat, glätten die zum zerreißen gespannte Oberfläche, bringt dir den Glauben an Heilung. Deine Augen tränen vor Erleichterung, so zart und behutsam bettet die Atmosphäre deine Existenz. Dein Kopf dröhnt, die Lider reiben über den Glaskörper, dein Körper ist schwer und ermattet. Vor dir erstreckt sich kein Anblick der Zerstörung mehr, die Flammen sind verschwunden, kein Rauch mehr da, der auf die Lunge drückt. Nein alles ist gereinigt, sauber und nackt in seinem elementarsten Dasein. Du fühlst

dich geklärt und gesäubert, eine Last entfällt. Grenzenlose Leichtigkeit entfaltet sich in dir. Mit dem Blick nach hinten, erkennst du die Asche, Überreste aus einer vergangenen Zeit, erratisch sprühen noch hier und da Funken. Die Welt liegt im Grau, zu viel wurde dir entrissen. Doch du lebst, jede Zelle in dir atmet und ist bestrebt zu arbeiten. Sie werden regenerieren, der Umbruch ist vorbei, die Neuerungen beginnen beständig. Du erhebst dich, so wie die Natur um dich herum sich erhebt, du erkennst ihr Potential welches mit deinem korreliert. Du findest Frieden, die Extreme sind vorüber, die unbarmherzige Sterilität ist abgebrannt, das Gleichgewicht ist hergestellt. Es bleibt nichts mehr ohne From, jede Komponente bekennt ihren Wert, der Horizont ist weiter als er jemals zuvor war. Zerstörung beinhaltet Neuerung, der Tanz mit ihr ist vorrüber. Alles Destruktive wurde ausgemerzt, übrig bleibt die nüchterne Wirklichkeit in reinster Ausprägung.

Die dreisilbige Leich|tig|keit

Mit Selbstbewusstsein in die unbeschwerte Leichtigkeit des eigenen Wesens. Den Sprung in das seichte Wasser der vergessenen Tiefe wagen, in die wissbegierige Fülle des so lang vergessenen Selbst. Sich dabei findend, erregt von den zahlreichen Nuancen die so lange im Verborgenden lagen. Langsam erwachend aus dem Schlaf der alles bestimmenden rationalen Vernunft. Das Grau verdrängend, beginnen nun eine Gänze von Farben das desolate Dasein zu bedecken. Ein Hauch von Möglichkeit von Hoffnung und solch zarter Vorfreude auf etwas Unbestimmtes bahnen sich in die kleinsten Spalten aller Windungen des Materiellen. Jede Berührung gezeichnet von liebevoller Fürsorge, die Begründung des nicht nachvollziehbaren Treibens des Lebens. Sprunghaft und hitzig umspringt es einen, plötzlich naiv und tollkühn erheben wir uns aus der erdrückenden Sorge, der verdrängenden Angst. Mutig stehst du auf, erhebst dich vom Boden der Ahnungslosen und steigst auf zu den Spähern der sich selbst bewussten. Denn etwas in dir drin bewegt dich, bewegt die Dinge um dich herum, schenkt ihnen Bedeutung und verhilft ihnen zu etwas Großem. Du schaust in das gleissende Licht der Sonne und fühlst den Ursprung aus welchen du erschaffen wurdest. Organisches Wachstum aus Allem und Nichts und der Kraft und ihrer Wandlung. Eine werdende Vergänglichkeit, ein stetig erblühendes Sprießen. Seicht umschlingt es, nährt dich. Gewährt dir den Halt den du brauchst um an etwas zu glauben das du nicht verstehst. Es ist egal an welchen Punkt der endlos folgenden Reihe du dich befindest, ob ein Metazustand oder das Endglied der absoluten Wahrheit. Das alles bist du und du bist die Gesamtheit. Es gilt nicht ergründet zu werden, keine blaue oder rote Pille, die unendlichen Weiten entspringen der eins und der null und beides entspricht dem Kern des vermeintlichen Daseins des eigenen Ich’s und deinem so unbequemen Geist. Gespalten von außen, geeint von innen. Immer gewillt den Zusammenhang zu entschlüsseln ihn begreiflich zu machen, das etwas in unseren Köpfen zu rechtfertigen von dem es das einzige ist, das nicht jener so lang gerechtfertigten Rationalität des Geistes entspricht. So lange schon tragen wir das Geheimnis in uns, von welchem wir immer meinten danach auf der Suche sein zu müssen. Durchforsteten Wälder, Flüsse und Seen, um uns selbst begreiflich zu machen in welchem Maße wir dem Ganzen doch entspringen, ihn gebären und aus ihm hervorgehen. Es ist die Melodie des Herzens, welches im Zyklus der Beständigkeit immer wieder zerberstet und heilt. Kein Zufall keine Symphonie, nur beständige unverrückbare Ruhe. Innige Besinnung und flackernde Leidenschaft einer sich entfaltenden Seele. Alles entspricht der Konposition einer einzigen Tatsache. Einer fundamentalen Komposition der Unverwundbarkeit, gefunden in dem Flügelschlag eines Schmetterlings, in dem erblühen einer Knospe, in dem Momentum einer herannahenden Welle auf offenem Meer. In Einheit mit dem Rhythmus der Zeit, dem Bestand des Allseits. Wie konnten wir das nur vergessen ? So lange verdrängend, noch immer vergrabend. So unausgefüllt und leer erscheint uns diese Daseinsform der fortschreitenden Optimierung. Dabei verhält es sich mit uns wie mit Farbtupfern auf einem Blatt Papier, leicht versonnen und unvorhersehbar. So wunderschön und zugleich kaum fassbar. So ersehnt und doch so erratisch ohne Sinn erscheinen wir auf der Reinheit des uns unterliegenden Untergrundes. Wir erfüllen ihn mit Farbe, wir sind die Anstrengungen seiner selbst. Alles in uns zährt sich nach dieser vergeblichen Bemühung nach Vollkommenheit, dabei sind wir die Vollendung selbst. Also wovor Angst haben im Panoptikum der Teilbarkeiten. Wertvoll und strukturell, intim und entartet sind wir das schönste Klangbild, die ergreifendste Farbgebung, das innigste Schauspiel der Natur. Von der Natur geschaffen um sich selbst zu begreifen. Beflügelt von den drei Silben der Leich|tig|keit.

Das Beben der Nacht

Ich stelle mir vor durch die Nacht zu fahren, durch die nackte, kalte, erregende Nacht. Jene, die einen mit ihren Geheimnissen umgarnt und reizt, eine die in sich verworren und gleichzeitig bedingungslos ist wie das Geheimnis selber. Kein Hunger, kein Durst, nur die unbändige Begierde nach einer nahezu extatischen Freiheit. Egal ob tanzend im Club oder angetrunken durch die Stadt laufend. In all seinem Sein einfach losgelöst und dabei tanzend, lachend, bebend diese verbrennende Berührung seiner selbst spürend. Im Hintergrund läuft die Musik deines Lebens, so jung, so verheißungsvoll, so ausschweifend wie es nie mehr sein würde. Alles aufsaugend, das ganze spektrale Kaleidoskop der Farben zerfließt du hinein in eine alles erfüllende Grenzenlosigkeit. Diese Nacht ist rein, dein Herz ist es auch. Schlagend zum Beat, inhalierend den Rauch, begrüßend den nächsten Tropfen. Egal ob Leben oder Tod, es spielt keine Rolle mehr denn du bist voll, gar überfüllt von jener alles zerberstenden Vitalität. Die gleiche Aufregung spürend, so als stündest du vor allen ersten Malen die jemals waren und jemals sein würden. Denn alles passiert zum ersten Mal, alles ist neu, alles lässt dich mit sich ziehen. Und du schwimmst inmitten einer dichotomischen Verlorenheit. Verloren im Guten, im Bösen. Im nie Gehabten und im allen Gewesen. Vergangenheit und Zukunft vereint in der Gewissheit des gegenwärtigen Moment der Fülle. Da ist kein Druck, kein Wille mehr. Moralität und Ethik verlieren an Wert, was zählt ist die wiederholende Rhythmik der Impulsivität dieser und zahlreich folgender Nächte. Die Bedingung dafür ist der Ausbruch, ein Ausbruch aus deinen vorherrschenden Verhaltensstrukturen, das Überschreiten deiner eigenen Grenzen. Alles zerberstend durchdringen als gäbe es kein Morgen mehr, im Regen gehen bis deine Willenlosigkeit fortgespült ist, jede Entscheidung wertlos. Was bleibt ist Vollkommenheit, geeint mit dem induktiven Äußeren der formlosen Essenz der materiellen Welt. Im Gegensatz zum Tag, macht dich die Nacht nicht zum transparenten Subjekt ihrer selbst. Weder bist du durchdrungen von Ambivalenz, noch getrieben vom Alltag, nein du bist in deinem Wesen geeint mit der grenzüberschreitenden Vereinheitlichung einer undefinierbaren Kraft. Du bist grenzenlos, ganz und gar bedingungslos. Du bist für immer. Jede Berührung tritt in direkten Bezug mit deinem Herzen, dabei schwillt es an bis zur unreflektierbaren Größe, erreicht Lichtgeschwindigkeit, durchbricht jedes Zyklotron. Du bist der einzige Rahmen in dessen sich das Ganze abspielt. Alles bezieht sich auf dich und du beziehst dich auf alles. Ein fusioniertest Ganzes, definiert vom Zeitgeist ganzer Generationen. Geprägt von Rebellion und antisystemischen Denken. Von jedem Regelverstoß bestätigt, genauso wie der Kratzer oder blaue Fleck ein noch so kleines Zeugnis des eigenen anarchischen Vortschreitens auf der Überholspur ist.

Doch nach dem Hoch kommt die Melancholie, kommt sie Sehnsucht nach Gemeinsamkeit, mit sich und dem Universum. Im bestenfalls eine mit jemand Gleichgesinnten, jemand der jene Vertiefung deiner Seele teilt, die Schlucht überschreitet. Einer mit richtigen Ohren für deinen Mund. Diejenige Hälfte welche deinem Herzen die Freiheit schenken und sie dich immer wieder spüren lassen würde. Gemeinsam in den Abgrund schauend, die Verstandlosigkeit überwindend. Die gegenseitige Introspektion vereinend zu aphoristischer Einheit.

Das alles formuliert in mir diesen einen Wunsch, den Wunsch des sich lösen Könnens. Der Wunsch nach inniger Zentralisation. Sich selbst verlieren und dabei finden, als Neubeginn, als erweiterter Erhalt, als die alles beendende Zerstörung. Die Analogie zu Shiva und der Erkenntnis selbst.

Sobald diese einstige Euphorie der Nacht vorbei ist, ergreift einen nur noch Bitternis. Das Herz verschließt sich von selbst, der Tropfen, der Rauch, die Pille verlässt den Körper und übrig bleibst du selbst ohne euphemistische Erweiterung. In der Tiefe lässt sich das Wesen der Welt schlecht erkennen. Der Kern ist vergessen und übrig bleibt die Gleichgültigkeit der apathischen Unmündigkeit. Du schiebst den Coin in den Einkaufswagen, steigst in dein Auto zur Arbeit, machst dich auf den Weg zur nächstliegenden Verpflichtung. Die Nacht ist vorbei, der Tag bricht an und du unterliegst schon wieder dieser selbst auferlegten Begrenzung.

Die Monade der Moderne

Leben tagein, tagaus. Immer zu und ständig. Vorwärts rennend im Hamsterrad, dabei ermüdend und doch so daran gewöhnt. Denn es gibt einem Sicherheit, Beständigkeit. Alles in geordneten Bahnen verlaufend, fällt einem das Sein plötzlich leichter. Man weiß genau was einen erwartet. Manchmal erschwert ist die Motivation zur nächsten Umdrehung, aber im Endeffekt führt eben diese Beständigkeit doch zu mehr Akzeptanz, mehr Zustimmung für das sich wiederholende zyklisch drehende Rad. Lieber das Bekannte wiederholen, als auch nur ein einziges Mal richtig leben, nur ein Mal das Unbekannte spüren zu müssen. Jede Unsicherheit, jedes Stück unbekanntes Land bleibt gefürchtet und verschwiegen, gleicht den weit entfernten Spähren des Weltalls. Ebenso unerforscht und außer Sichtweite. Lieber in Ewigkeit auf der gleichen Ebene verbleiben, als jemals Veränderung bewusst leben zu wollen. Denn Veränderung bedeutet die entschlossene Entscheidung für den Willen zum Mut. Zur Überwindung von Hemmung und Angst. Es bedeutet Zustimmung zu sich und dem eigenen Leben, ihm Auge um Auge gegenüber zu treten. All das in der Bereitschaft sein Ich zu geben und damit alles hinter sich zu lassen. Sicherheit in der Unsicherheit finden, sie begrüßen erscheint geradezu unmöglich. Gewünscht wird eine Garantie und lebenslanges Rückgaberecht für das eigene Existenz, es obliegt der neuzeitlichen Qualitätssicherung eine hohe Lebenserwartung zu gewährleisten. Dafür hingegen entwickelt sich eine neuartige und subtile Kohärenz jenen ausgeprägten Verlusts des Bezugs zu sich selbst und damit dem zum eigenen Denken. Alles unterliegt der Kontrolle, wird gesichtet und dokumentiert. Jeder, der sich dessen entzieht, entschließt sich zur Ausgrenzung seiner selbst innerhalb dieser Gesellschaft. Nonkonformismus ist unerwünscht, gefährlich und zieht unvorhersehbare Folgen mit sich. Denn die durch Systemparalyse erstarrten Menschen haben nur einen Glauben, den an Gehorsam und Folgsamkeit. Ein Volksentscheid wird dabei zum Medienevent und die eigene Stimme für die Funktionalität des Ganzen irrelevant.

Wie schaffen wir es zum autarken und mündigen Denken zurückzukehren? Und damit meine ich nicht jenes Medien begleitete und gestützte Denken, sondern ein solches welches dem transzendenten Wissen einer uns innewohnenden Substanz und Kraft entspringt die wir bei tiefer Bewusstheit jederzeit ansprechen und als Werkzeug des menschlichen Denkens nutzen können ? Ich wünsche mir wieder einen offenen Diskurs, ohne Rechtfertigung und ewigen Mehrwert sprich Profitdenken. Ich wünsche mir Lösungsansätze zugunsten des Menschen als solchen. Kein Materialismus, kein Anspruchsdenken. Dafür reines und unschuldiges Maßhalten und den nötigen Funken an Interesse für die Wahrhaftigkeit der Monaden unserer Zeit.

Der Nabel des Einfachen

Es fühlt sich an als sei man einer grenzenlosen Destruktivität unterworfen. Nichts spielt mehr wirklich ein Rolle, geredet wird nur noch über Nichts sagendes. Alles dreht sich, jedoch nicht im Interesse des Lebens. Alles zeigt sich, eben nur nicht von seiner spektral vielfältigsten Seite. Gelebt wird mit und während einer Schnelligkeit die alles lose Daliegende mit sich reißt. Damit auch wirklich alles unentschlossene, willenlose und unmündige mit einer statischen Effektivität letztendlich dem Konstrukt des Destruktiven unterliegt. Jene fein definierte Neutralität des gegenwärtigen Rationalismus bestärkt den Ursprung des schon längst Bekannten, des sich immer Wiederholenden. Und damit entfällt alles dem Innersten entspringendem, eine Knospe deren Aufblühen unterbunden wird und das fortwährend. In sich ruhend, verborgen und unentwegt darin bestrebt zur wahren Entfaltung zu kommen. In freudiger Erwartung den richtigen Zeitpunkt erwartend, bricht der Winter über sie herein und verstrichen ist die Chance auf Flucht vor der Ewigkeit. Hirn- und Verstandlos immer weiter drängend, befindet sich das Säugetier in dem ständigen Zustand der Ruhelosigkeit. Neue Reize finden keinen Anklang mehr, denn die Schwelle dafür liegt mittlerweile viel zu hoch. Will man berührt, erregt werden braucht man das Extrem. Alles andere wirkt nur betäubend, nichts von dem ewigen Halbschlaf erahnend verbirgt man sich im Schleier der Entfremdung. Alles begehrt den Komfort, die Beruhigung, die Lähmung des mündigen Geistes. Ein ehrliches Ziel nicht mehr definierend begibt sich der Mensch in die Fänge der Lethargie. Hauptsache die Tagesschau läuft nebenbei in Enddlosschleife. Wann verlernten wir das Schweigen, seit wann wird gesprochen nur des Sprechens wegen? Der Zweck der Zeilen, die Bedeutung der Sprache entblößt und vergisst sich. Alles gefangen im stetigen Plätschern der frohlockenden Ahnungslosigkeit, dabei ohne Dankbarkeit und ohne das Begehren nach der Überwindung gewohnter Ordnungsstukturen. Darauf bedacht das Panoptikum niemals zu verlassen, sich ein Heim darin zu schaffen. Struktur und Gewohnheit bestimmten die Langeweile des Alltags. Der darin verwobene Konsum übertüncht die innere Leere erfolglos. Ein jeder spürt die selbst auferlegte Täuschung, kaum jemand versucht ihr zu entgehen. Apathisch und strukturlos, wie eine einheitlich breiige Masse erstreckt sich sie Zeit unseres Lebens und alles bleibt willenlos haftend an der Oberfläche dieser künstlich strahlenden Welt. Das Kaleidoskop dreht sich nicht mehr, die Farben bleiben überschattet und alles spektrale verliert sich im Grau des dumpf pochenden Gefühls hinter der eisernen Stirn. Augen die nicht mehr sehen, Münder die keine Wahrheit mehr kennen.

So möchte ich meinen Blick wieder schärfen, möchte Farben wieder sehen lernen. Wie ein Schwamm den Pathos der Zeit aufsaugen und ihn zu meinem Schicksal machen. Darin versinken und der äußeren Sinnlosigkeit entkommen. Doch halt-und kraftlos blicke ich jenem Unterfangen entgegen, das mich erwartet. Ein Leben in Einheit, ein Leben in zügelloser Verschwendung. Der Wunsch nach der Unterdrückung jener Euphorie des Konsums und sich simultan schwelgend in der Verzückung des Einfachen zu begeben. Nach den Ursprüngen zu graben, immer tiefer und dabei des Wahnsinns zwar nahe doch der Wahrheit noch näher zu sein. Der Wunsch nach reiner Authentizität, dem unverblümten existenziellen Sein.

Sich selbst dabei genügend, mir gegenüber und dem Außen. Bindungen spüren, Vernetzungen annehmen, dem Lauf der Dinge freudig erwartend entgegenblicken. Möchte hier sein um neue Anekdoten zu schaffen, welche mit mehr Vertrauen in das Unbeständige einhergehen. Die Unsicherheit annehmen und in ihr die ersehnte Ruhe finden. Zum Nabel des Einfachen zurückkehren und sich dabei selber finden.

Die Zeit, die Zeit.

In Martin Suters gleichnamigen Roman ist genau diese Zeit dem eigenbrötlerischen Protagonisten Knupp ein Dorn im Auge. Der Witwer verfolgt einen ausgeklügelten Plan um den Dorn, jenen der Illusion von Zeit, ein endgültiges Ende zu bereiten und damit zu ziehen. Was er alleine jedoch nicht zu schaffen vermag, wird mithilfe seines jüngeren Nachbarn Taler nach und nach möglich und damit zur Wirklichkeit. Beide sind zwar schon seit langem Nachbarn, lernen sich jedoch erst durch die Suche Talers nach dem Mörder seiner Frau kennen. Was für Taler als verrücktes, unsinniges und teils aufgezwungenes Mitwirken begann, entwickelt sich im Laufe des Buches zu dem echtem Glauben an das tatsächliche Eintreten Knupp’s Plan und seiner Realisierung bzw. dem Eintreten seines Ergebnisses. Dieser verfolgt dabei das Ziel eine detailgetreue Wiederherstellung des Zustandes seines Eigenheims, sowie dem dazugehörigen umliegenden Radius, wie er auf einem Bild vom 11. Oktober 1991 dargestellt ist zu verwirklichen. Von der exakten Nachbildung erhofft sich Knupp die Möglichkeit des Wiedereintritts des Zustandes zu genau diesem Tag und somit einem Zustand, an dem seine Frau noch lebte.

„Die Zeit vergeht nicht, alles andere vergeht. Die Natur. Die Materie. Die Menschheit. Aber die Zeit nicht. Die Zeit gibt es nicht.“

Die Veränderung

Unsere Vorstellung von Zeit ist subjektiv, laut Einstein relativ und trotzdem eine feste Konstante in unserem Leben, ohne jene wir den Halt verlieren würden. Und natürlich erfahren wir Zeit als etwas reales, beispielsweise wenn der Bus in fünf Minuten kommt oder es noch drei Wochen bis zum lang ersehnten Urlaub sind. Es ist fast schade, dass man sich eine Welt ohne Zeit gar nicht vorstellen kann. Dabei ist das einzige charakteristische der Zeit die Veränderung. Ohne eine Veränderung von Zellen, materiellen Zuständen, Veränderungen der Umgebung und des Selbst in dieser wäre eine lineare Vorstellung von Zeit gar nicht existent. In Gegenwart eines sich nie verändernden Zustandes, wäre die Zeit als solches obsolet. Doch existiert sie nunmal diese Zeit und ein Umgehen erscheint, auch nach Knupp’s Vorstellung, nahezu unmöglich. Vielmehr sind wir immer mehr Getriebene in der uns umgebenen strukturellen Form der heutigen Zeit. Wörter wie Zeitmanagement, Zeitdruck und Zeiteffizienz bestimmen den Alltag. Die Kinderserie Momo hat es schon längst auf den Punkt gebracht, indem die Zeitsparer als Lebenszeitverschwender entlarvt wurden.

Das Leitmotiv

Im medizinischen Bereich und dabei in der Radiologie im Speziellen, kommt man täglich mit vielen schweren Schicksalen in Kontakt und oft bekomme ich von Patientinnen zu hören, man hätte sich immer Zeit für andere genommen. Man hielt die Stellung auf Arbeit, versorgte Mann und Kind(er), pflegte bedürftige Familienmitglieder, jonglierte mit Haushalt und Beruf. Ein Hetzten von A nach B, die eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund rückend. Viele stellten diese immer wieder hinten an und ernteten viele Jahre später das Resultat, das Ergebnis eines so lange ungehörten Hilferuf’s des Körpers. Natürlich spielen noch andere Faktoren wie Karzinogene, eine frühe oder späte Menage, Adipositas usw. eine Rolle. Dennoch erleben wir genau dieses Phänomen in einer ermüdeten Gesellschaft immer öfter. Krankheiten, resultierend aus dem vorherrschenden Phänomen des Zeitmangels. Und diese Schnelligkeit nimmt immer mehr an Fahrt auf, schneller zur Arbeit, nach Hause zum Sport usw. Wann haben wir das letzte Mal etwas langsam gemacht ? Wann sind wir das letzte mal wirklich bei uns angekommen? Wie nehmen wir uns eigentlich Momente der Ruhe?

Rückkehr zum Ursprung

Gerne würde ich alle Aspekte ausführen wollen, die jene Zustände der Welt im Bezug auf den Umgang mit Zeit beleuchten, aber das wäre zu umfassend. Gerade weil die Zeit etwas ist, dass so subjektiv erfahren wird und für jemanden der kein Studium der Quantenphysik hat kaum begreifbar ist. Es ist mir jedoch wichtig ein paar grundlegende Dinge dieser Problematik offen darzulegen. Gerade meine Generation der Mittzwanziger unterliegt großen Missständen im Bezug auf sinnvoll genutzte Zeit. Durch Ablenkung und Konsum kommen wir unserem wahren Kern nicht wirklich näher. Anstatt dem Wiederherstellen des Urzustandes einer natürlichen Lebensweise, ziehen wir uns gerade in der Corona Epidemie immer weiter zurück ins Private und bevorzugen ein Dasein in inhaltsloser Unbewusstheit. Anstatt der Meditation, des Lesens und Lernens, der Ausübung sportlicher Betätigung und dem Auseinandersetzen mit inneren Bedürfnissen, unterliegen wir medialer Ablenkung, substanzieller Betäubung und verlieren uns damit im dichten Nebel der immer weiter fortschreitenden Selbstentfremdung. Kostbare Zeit, die uns hier bleibt wird verschwendet und gedankenlos in Lebenszeit verkürzende Güter investiert. Das Konstrukt erscheint mir undankbar und selbstverschuldet. In einer Zeit in welcher die Destruktivität gefördert, in Enthumanisierung investiert und unablässig angstgerichtetes Gedankengut stetig wächst, fällt es schwer zu seinen Wurzeln zurückzufinden. Doch ein jeder trägt die dafür benötigten Qualitäten in sich, man darf nur der permanente Ablenkung nicht nachgeben und sich die Zeit nehmen die man braucht. Jeder in seinem eigenen Tempo. Wie wäre es dabei mal ein Bild zu malen, Gitarre oder eine neue Sprache zu lernen. Blumen, Tomaten oder kleine Kräuter lassen sich auch in der Wohnung pflanzen, ein Stift und Papier sind schnell gegriffen. Es gibt viele Möglichkeiten sich ein paar Momente für sich einzuräumen, ohne Druck, ohne Ziel, einfach sein. Und langsam, egal ob beim Tanzen, Lesen oder Musizieren, verschwindet die Vorstellung von Zeit vollständig. Man selbst ist grenzenlos versunken und jede Vorstellung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verliert seine Bedeutung.