Betrachtung

Wie ein Stück Papier im Wind schwebend, treibt es sanft in erratischen Stößen vor sich her. Neugierig beobachtest du das schwerelose Schauspiel, während alles um dich herum in Hast an dir vorbeizieht. Nur willkürlich fängst du die angestrengten Blicke der hetzenden Menschen ein. Jenen Menschen, den man zumeist ansieht, dass ihnen der Druck der Zeit im Nacken sitzt. Doch du bist indessen ganz still, nur dein Herz pumpt in fleißigen Schlägen das Blut durch deinen Kreislauf und deine Lunge den Sauerstoff in deine Zellen. Kein Muskel ist angespannt, alles sitzt locker an deinem Körper, der gelöst ist von allem, was um ihn herum passiert. Die schon etwas morschen Holzpaneele der Bank unter dir tragen dein Gewicht mit Kontinuität und Leichtigkeit. Hier wartet keine Verpflichtung, kein Wagnis, auch jegliches Begehren ist mittlerweile anachronistisch. Deine Wahrnehmung reduziert sich auf die Präsenz der frischen Luft und das sachte Schattenspiel der Bäume und Häuser vor dir. Wie lange Fühler strecken sie sich zu allen Seiten hin aus, streichen mit gleichmäßiger Geschwindigkeit über den Boden, dabei im Gleichschritt mit dem Lauf der Sonne über dir fortschreitend. Es ist schwer sich an irgendetwas zu erinnern, noch schwerer über etwas nachzudenken, weder über das was dich in Zukunft erwarten würde, noch über das was jemals war. Momentan existiert nur dein Geist, mit der Wahrnehmung jener sanften Brise auf deiner Haut, welche auch das Blatt Papier weiterhin in einem sachten Rhythmus schweben lässt. Kaum berühren die Ecken seiner hexagonalen Form einmal den Boden, erhebt es sich wenig später auch schon wieder in die Luft. Die Wärme auf deiner Haut wiegt dich in Sicherheit, dein Inneres selbst bettet sich darin, die Art des gänzlich Unaufgeregten genießend. Einige nur wenige Blicke bleiben auf dir haften, um doch nur schnell in reger Betriebsamkeit weiterzuziehen. Auch wenn es sich denken ließe, da ist keiner der auf dich warten würde, keine Verabredung, kein Treffen, dir jedenfalls nicht erinnerlich. Das geschlossene Schauspiel dieser plastischen Szenerie legt sich einfach wohlig um dich und deinen Geist, wie ein Schleier des Vergessens, der ewigen Sorglosigkeit, des permanenten Gewahrseins. Das Spektrum an Farben, jede einzelne Regung, all die simultan ablaufenden Begebenheiten, alles transzendiert dich mit einer harmonischen Melodie und du bist dankbar dafür gelernt zu haben, wie man zuhört. Wie ein Gefäß, welches sich sanft befüllen lässt. Bewusst über die Unausweichlichkeit jenen Punktes, an dem du ablässt und dich weiterbegibst, sobald es gänzlich voll sein würde.

Hier schreibt keiner Geschichte, kein enormes Ereignis passiert, welches im Folgenden die Klatschspalten der Presse füllen würden. Nichts abnormes, sondern vielmehr nur limitiert zusammenpresste Normalität. Im Grunde genommen passiert für die Wahrnehmung der subjektiven Realität der Vielen sehr wenig, doch für die Wahrnehmung des Einzelnen seiner substanziellen Komplexität, sehr viel. All das kann dein Geist erfassen, können deine Augen sehen. Und auch dafür bist du dankbar. Zu gerne würdest du spielerisch die Finger ausstrecken, das tänzelnde Blatt Papier auf der anderen Straßenseite berühren und dich mit ihm in die haltlose Verzückung begeben, in welcher es vor sich hin schwelgt. Keinen direkten Befehl erteilend, dich des Automatismus bedienend, welcher deine Füße erreicht und sie sich heben lässt, raffst du dich auf. Du betrachtest die schwarze konturreiche Säule vor dir, deren Gegenstück auf der anderen Straßenseite ein leuchtend rotes Symbol erscheinen lässt. Trotz der frontalen Einstrahlung der Sonne, ist das Zeichen kräftig und deutlich erkennbar. Lässig setzt du deinen Fuß, einen vor den anderen, auf den warmen Asphalt vor dir. Deine Ohren vernehmen zwar die sich verändernde tosende Atmosphäre, die plötzlich heftigen Reaktionen, den Geruch von verbrannten Gummi, doch nichts davon berührt deinen Geist wahrhaftig. Du gleitest weiter in die Materie aus Dualität, währenddessen sich die Zeit bis ins Unendliche zu dehnen scheint. Nichts passiert ganz schnell oder überraschend, du kannst jede Einzelheit der sich ändernden Punkte dieser Gegenwartskonstruktion wahrnehmen und aktiv durch dein Bewusstsein strömen lassen. Das Blatt Papier auf der anderen Seite fokussierend, vernimmst du die leichten Lichtschimmer, welche sich in perlmuttfarbenen Reflexen auf dem diaphanen Papier zu spiegeln scheinen. Bereit dein Herz zu öffnen um die Vielzahl an Farben in dir zu erfassen, lässt du deinen Geist noch ruhiger werden. Immer tiefer fallend in diese reine Quelle der Wahrnehmung, während alles um dich herum hohl und stumpf zusammenklebt. Den Schmerz gar nicht wirklich spürend, streckst du immer noch deine Finger aus in der Hoffnung es endlich berühren zu können. Und tatsächlich streifen deine Kuppen sacht über die glatte Oberfläche des Hexagons. Eine Berührung so hauchzart, dass du dir nicht mehr sicher bist, ob sie wirklich real ist. Doch das Prickeln auf deiner Haut verrät dir die Wahrheit. Wie flüssiger Bernstein überstülpt sich deine Haut mit feuchter Wärme, die Sonne über dir ist rückt ein Stück weiter, ihrem sich wiederholenden Zyklus folgend. Träge zieht sie die Schatten weiter mit sich. Der Geschmack von bitteren Metall benetzt deine Zunge, deine Wahrnehmung flackert, alles ist noch immer von weicher Watte umhüllt. Ferner ist da nach wie vor kein Gedanke, keine Ahnung von einer möglichen Zukunft oder dem Vergangenen. Die vom Asphalt abgestrahlte angenehme Wärme spürend, welche sich über deine gesamte untere Körperhälfte hinweg ausbreitet, liegst du in völliger Reglosigkeit da. Etwas oder jemand packt dich, entzieht dich jener Geborgenheit die du bis eben so herzlich willkommen hießt. Doch du lässt es geschehen, weil alles nur kontinuierlich unaufhörlich und unabdingbar geschieht. Es wird nicht mehr oder weniger geben als das Jetzige und darin findest du diese ewige Liebkosung einer so fiktiven Realität, welcher du jeher so ergeben gegenüberstandest und auch immer gegenüber gestellt sein wirst.

Entsagung

Es schnürt dir die Luft ab, bebend um den nächsten Atemzug ringend, weitest du deinen Brustkorb. Wie konnte es dir nur abhanden kommen, wo du es doch bis eben noch in deinen nun zittrigen Händen hieltest. Etwas so Kostbares darf einfach nicht verschwinden, es zu verlieren bedeute die Unerreichbarkeit deines weiteren Vorhabens. Die Bewusstheit über dieses Faktum gräbt sich dir bis ins Mark, ätzt eine bleibend unauslöschliche Gravur in dein Leib. Bis eben war doch noch alles in Ordnung. Dein Selbst nestelte an der dir sukzessiv zuteil gewordenen Sicherheit herum und labte sich vergnüglich an dem so verzückend vertrauten Naturell. So lange wast du schon damit beschäftigt zu warten, dass du gar nicht bemerktest wie es dich in ihre Illusion mit einsponn und dich vom Wesentlichen ablenkte. Und nun ist es endgültig fort, verloren im eisigen Firnfeld, darin bis zur Unkenntlichkeit verschmelzend wie ein Tropfen im Meer. Womit warst du dir eigentlich so sicher? Vielleicht spielt dein Kopf nur ein doppeltes Spiel, einen üblen Streich, deinen Verstand dabei hintergehend und deine bisherigen Annahmen leugnend. Es fällt dir zunehmend schwerer kausal nachzuvollziehen, ob es denn jemals da war und in welchem Sinne es je zu dir gehören sollte. Vollumfänglich beginnt dein Geist mit der vertrauten Arbeit, spinnt Hypothesen und Gedankengeflächte, wägt Eventualitäten ab und kommt immer wieder an den selben Punkt jeglicher Auffassungsgabe. Einen von vielen jener holistischen Wissensakkumulation. Auf die Heftigkeit, mit der dich die Wahrheit infiltriert warst du so nicht vorbereitet. Hättest es nie sein können, denn selbst die manifestesten Glaubenssätze dröseln sich bis zum wesentlichen Kern auf und erlauben dir den Blick auf etwas zuvor noch nie Gesehenes. Eine Art Erinnerung, eine Ahnung von etwas das es dir unmöglich werden lässt es auch nur im Ansatz beschreiben zu wollen. Als sei es dir wieder erinnerlich, was schon so unaussprechlich lange im Verborgenen lag. Du hast keine Ahnung von dem gesamten Ausmaß des Zusammenhanges, welcher sich dir schon ergab noch bevor du es zu wissen glaubtest. Der Glaube daran wohnt dir inne und ist dennoch der falsche Ausdruck für das eigentlich Unbeschreibliche. Vielmehr wurde diese konkrete Wahrheit ein wesentlich beständiger Teil von dir, eine über lange Zeit organisch gebildete Einheit. Eine unverzichtbare Entität, welche dazu benötigt würde den weiteren Schleier zu lichten und durch das Trübe hindurch klar sehen zu können. Wie sollte etwas abhanden kommen, das untrennbar mit dir verwoben ist, von allen Seiten, aus allen Spheren der Existenz hinaus. Du beginnst dich zu wundern wie du überhaupt zu diesem Schluss kamst es verloren geglaubt zu haben.

Doch irgendetwas drückt noch immer beständig gegen deine Brust, erschwert dir das Atmen, gibt dir das Gefühl von Machtlosigkeit. Das Gefühl etwas würde dir kontinuierlich durch die Finger rinnen und dir entgleiten. Deine Hände zu Fäusten ballend, spannst du Muskeln und Sehnen in deinen Fingern, beginnst deinen Willen unter Aufbringung höchster Kraft zu formen, sodass er auf deinen Befehl gehorchend fokussiert und bereit ist genutzt zu werden. Langsam lässt du ihn durch deinen Körper gleiten, bis er jeden Winkel erfüllt und jede Zelle durchlaufen hat. Auf Gehorch hin, strömt er nach außen und beginnt auch hier jede ihm begegnende Instanz zu prägen. Dieses Außen ist nur der Spiegel, welcher dir aufzuzeigen vermag was du in deinem Innersten lebst. Den Druck von deiner Brust nehmend, umhüllen dich Wogen der Ruhe. Eine Gelassenheit wird dir zuteil, welche dich vergessen lässt wonach du überhaupt suchtest. Denn alles von Nöten geglaubte befindet sich unlängst hier bei dir, in deiner Hand, in der im Jetzt befindlichen Realität. Der Schleier jeglicher Illusion ist fort und das Gefühl des Verlustes mit ihm. Du hattest es nie verloren und musst dich auch nicht mehr auf die Suche begeben, alles was du je brauchtest befindet sich in seit jeher unlängst in deiner elementarsten Substanz. Was da zerrinnt, ist nicht fort, sondern begegnet dir in einem anderen Gegenwartsgeschehen wieder. Alles was du tust ist das bereits Zerronnene zu formen, es dir zu eigen zu machen. Dein Körper entspannst sich zunehmend, denn es ist dir endlich möglich tatsächlich zu sehen. Mit geschlossenen Augen schaust du weit in die Ferne und erblickst die Zugehörigkeit, nach der du dich ferner sehntest. Dein Mut, dein Wille, deine Kraft werden belohnt, das Kinn gen Sonne reckend, welche dir warm ins Gesicht scheint, bist du bereit für alle Herausforderungen die auf dich warten mögen. Denn du bist dir deiner selbst sicher und unverrückbar. Du kannst nichts mehr verlieren, dass du nicht schon längst losließt.

Der Brand

Es brennt in dir, verschlingt das Fundament, verzehrt alles ihm im Wege stehende, bricht jeglichen Widerstand und jagt dich wild. Tosend wallt es an den Mauern und überwindet dabei jede Grenze: das frenetische Feuer. Die Hitze entzweit das Innerste, kappt die Verbindungen und lässt es langsam verglühen. Sich ergötzend verzehrt es sukzessive deine Substanz.

Unter der sengenden Hitze bersten die Balken allmählich, knacken gefährlich, bis sie schließlich nachgeben und zertrümmern. Rauch verschlingt die lebensnotwendigsten Bestandteile der dünnsten Kapillaren deiner Lunge, sie flehen nach so existenziellen Sauerstoff. Du willst, doch kannst ihnen nicht geben, wonach sie verlangen, bist starr und mechanisch.

Pass auf, sieh zu dass du entkommst, doch deine Beine protestieren, sind schwer und schleppend, sie tragen dich nicht länger. Die Kontrolle verlierend, verschleiert deine Sicht, bis hin zur absoluten Unkenntlichkeit. Jeder deiner Sinne überreizt von den Extremen und der Kopf nicht mehr befähigt einen neuen Gedanken zu fassen. Unablässig und erbarmungslos wütet derweil ein tosend zermürbendes Feuer. Rücksichtslos nimmt es sich alles, was sich ihm in den Weg stellt. Das ist nicht länger mehr dein Zuhause hier, es ist die Ruine all dessen von dem du glaubtest es sei wahrhaftig und real. Die Bedingungen haben sich längst verändert, doch du bist stehen geblieben, als es eigentlich hieß mitzuziehen. Stille und Schweigen, das war das eigentliche Metronom jener Zeit, welches den so stetig monotonen Takt angab. Du warst so still, bist es noch, all die Farben verschwunden, die Nuancen eindimensional. Dabei brennt es doch überall, vernichtet alles so unaufhaltsam und beständig. Doch du bist tatenlos, vielleicht nicht willens genug etwas dagegen zu tun. Doch letztendlich fehlt es dir an einem probaten Mittel das Feuer endlich zu zähmen. Wie willst du dagegen ankämpfen, keine Hilfe von Außen, niemand der da ist, keiner den du rufen könntest, zerreißende Stille die dich nicht hört. Wie lange würde es wohl dauern, bis alles von einer Endgültigkeit zeugt, einer jenen die alles determiniert.

Hilflosigkeit und Ohnmacht befühlen deinen Kopf legen sich auf deine Hirnhaut wie ein dünnes Tuch und unterdrücken jeglichen Fluchtinstinkt. Du bist benebelt, kannst nur noch zusehen wie alles zerfällt. Es fühlt sich an wie das Ende einer Ära, es ist das Ende deiner Selbst. Du weißt nicht was danach kommen wird, du kannst nur schweigend beobachten. Der Himmel über dir ist bedeckt und grau, woanders klar und blau. Du erkennst es nicht im Dickicht der tosenden Flammen, aber du weißt dass es einen Ort gibt, an dem das Moos saftig feucht und grün ist. Du erinnerst dich daran, greifst diesen Gedanken auf und lässt ihn lebendig werden, der in sich durchnässte Boden, der trübe Dunst, der deine Haut feucht benetzt und plötzlich spürst du die Verbindung zu deinen Füßen, erlangst die Kontrolle zurück und machst einen schleppenden Schritt nach vorn. Einstweilen spürst du statt drückender Hitze klare und alles belebende Humidität. Deine Lungen ringen um einen Atemzug und das was sie erhaschen, entzieht dir das Gleichgewicht. Die Luft die du atmest ist von überwältigender Klarheit, so rein und frisch. Als bestünde sie aus ihren ursprünglichsten Komponenten. Sie bringt die so ersehnte Erlösung für dein Atemapperat, glätten die zum zerreißen gespannte Oberfläche, bringt dir den Glauben an Heilung. Deine Augen tränen vor Erleichterung, so zart und behutsam bettet die Atmosphäre deine Existenz. Dein Kopf dröhnt, die Lider reiben über den Glaskörper, dein Körper ist schwer und ermattet. Vor dir erstreckt sich kein Anblick der Zerstörung mehr, die Flammen sind verschwunden, kein Rauch mehr da, der auf die Lunge drückt. Nein alles ist gereinigt, sauber und nackt in seinem elementarsten Dasein. Du fühlstdich geklärt und gesäubert, eine Last entfällt. Grenzenlose Leichtigkeit entfaltet sich in dir. Mit dem Blick nach hinten, erkennst du die Asche, Überreste aus einer vergangenen Zeit, erratisch sprühen noch hier und da Funken. Die Welt liegt im Grau, zu viel wurde dir entrissen. Doch du lebst, jede Zelle in dir atmet und ist bestrebt zu arbeiten. Sie werden regenerieren, der Umbruch ist vorbei, die Neuerungen beginnen beständig. Du erhebst dich, so wie die Natur um dich herum sich erhebt, du erkennst ihr Potential welches mit deinem korreliert. Du findest Frieden, die Extreme sind vorüber, die unbarmherzige Sterilität ist abgebrannt, das Gleichgewicht ist hergestellt. Es bleibt nichts mehr ohne From, jede Komponente bekennt ihren Wert, der Horizont ist weiter als er jemals zuvor war. Zerstörung beinhaltet Neuerung, der Tanz mit ihr ist vorrüber. Alles Destruktive wurde ausgemerzt, übrig bleibt die nüchterne Wirklichkeit in reinster Ausprägung.

Die Monade der Moderne

Leben tagein, tagaus. Immer zu und ständig. Vorwärts rennend im Hamsterrad, dabei ermüdend und doch so daran gewöhnt. Denn es gibt einem Sicherheit, Beständigkeit. Alles in geordneten Bahnen verlaufend, fällt einem das Sein plötzlich leichter. Man weiß genau was einen erwartet. Manchmal erschwert ist die Motivation zur nächsten Umdrehung, aber im Endeffekt führt eben diese Beständigkeit doch zu mehr Akzeptanz, mehr Zustimmung für das sich wiederholende zyklisch drehende Rad. Lieber das Bekannte wiederholen, als auch nur ein einziges Mal richtig leben, nur ein Mal das Unbekannte spüren zu müssen. Jede Unsicherheit, jedes Stück unbekanntes Land bleibt gefürchtet und verschwiegen, gleicht den weit entfernten Spähren des Weltalls. Ebenso unerforscht und außer Sichtweite. Lieber in Ewigkeit auf der gleichen Ebene verbleiben, als jemals Veränderung bewusst leben zu wollen. Denn Veränderung bedeutet die entschlossene Entscheidung für den Willen zum Mut. Zur Überwindung von Hemmung und Angst. Es bedeutet Zustimmung zu sich und dem eigenen Leben, ihm Auge um Auge gegenüber zu treten. All das in der Bereitschaft sein Ich zu geben und damit alles hinter sich zu lassen. Sicherheit in der Unsicherheit finden, sie begrüßen erscheint geradezu unmöglich. Gewünscht wird eine Garantie und lebenslanges Rückgaberecht für das eigene Existenz, es obliegt der neuzeitlichen Qualitätssicherung eine hohe Lebenserwartung zu gewährleisten. Dafür hingegen entwickelt sich eine neuartige und subtile Kohärenz jenen ausgeprägten Verlusts des Bezugs zu sich selbst und damit dem zum eigenen Denken. Alles unterliegt der Kontrolle, wird gesichtet und dokumentiert. Jeder, der sich dessen entzieht, entschließt sich zur Ausgrenzung seiner selbst innerhalb dieser Gesellschaft. Nonkonformismus ist unerwünscht, gefährlich und zieht unvorhersehbare Folgen mit sich. Denn die durch Systemparalyse erstarrten Menschen haben nur einen Glauben, den an Gehorsam und Folgsamkeit. Ein Volksentscheid wird dabei zum Medienevent und die eigene Stimme für die Funktionalität des Ganzen irrelevant.

Wie schaffen wir es zum autarken und mündigen Denken zurückzukehren? Und damit meine ich nicht jenes Medien begleitete und gestützte Denken, sondern ein solches welches dem transzendenten Wissen einer uns innewohnenden Substanz und Kraft entspringt die wir bei tiefer Bewusstheit jederzeit ansprechen und als Werkzeug des menschlichen Denkens nutzen können ? Ich wünsche mir wieder einen offenen Diskurs, ohne Rechtfertigung und ewigen Mehrwert sprich Profitdenken. Ich wünsche mir Lösungsansätze zugunsten des Menschen als solchen. Kein Materialismus, kein Anspruchsdenken. Dafür reines und unschuldiges Maßhalten und den nötigen Funken an Interesse für die Wahrhaftigkeit der Monaden unserer Zeit.

Der Nabel des Einfachen

Es fühlt sich an als sei man einer grenzenlosen Destruktivität unterworfen. Nichts spielt mehr wirklich ein Rolle, geredet wird nur noch über Nichts sagendes. Alles dreht sich, jedoch nicht im Interesse des Lebens. Alles zeigt sich, eben nur nicht von seiner spektral vielfältigsten Seite. Gelebt wird mit und während einer Schnelligkeit die alles lose Daliegende mit sich reißt. Damit auch wirklich alles unentschlossene, willenlose und unmündige mit einer statischen Effektivität letztendlich dem Konstrukt des Destruktiven unterliegt. Jene fein definierte Neutralität des gegenwärtigen Rationalismus bestärkt den Ursprung des schon längst Bekannten, des sich immer Wiederholenden. Und damit entfällt alles dem Innersten entspringendem, eine Knospe deren Aufblühen unterbunden wird und das fortwährend. In sich ruhend, verborgen und unentwegt darin bestrebt zur wahren Entfaltung zu kommen. In freudiger Erwartung den richtigen Zeitpunkt erwartend, bricht der Winter über sie herein und verstrichen ist die Chance auf Flucht vor der Ewigkeit. Hirn- und Verstandlos immer weiter drängend, befindet sich das Säugetier in dem ständigen Zustand der Ruhelosigkeit. Neue Reize finden keinen Anklang mehr, denn die Schwelle dafür liegt mittlerweile viel zu hoch. Will man berührt, erregt werden braucht man das Extrem. Alles andere wirkt nur betäubend, nichts von dem ewigen Halbschlaf erahnend verbirgt man sich im Schleier der Entfremdung. Alles begehrt den Komfort, die Beruhigung, die Lähmung des mündigen Geistes. Ein ehrliches Ziel nicht mehr definierend begibt sich der Mensch in die Fänge der Lethargie. Hauptsache die Tagesschau läuft nebenbei in Enddlosschleife. Wann verlernten wir das Schweigen, seit wann wird gesprochen nur des Sprechens wegen? Der Zweck der Zeilen, die Bedeutung der Sprache entblößt und vergisst sich. Alles gefangen im stetigen Plätschern der frohlockenden Ahnungslosigkeit, dabei ohne Dankbarkeit und ohne das Begehren nach der Überwindung gewohnter Ordnungsstukturen. Darauf bedacht das Panoptikum niemals zu verlassen, sich ein Heim darin zu schaffen. Struktur und Gewohnheit bestimmten die Langeweile des Alltags. Der darin verwobene Konsum übertüncht die innere Leere erfolglos. Ein jeder spürt die selbst auferlegte Täuschung, kaum jemand versucht ihr zu entgehen. Apathisch und strukturlos, wie eine einheitlich breiige Masse erstreckt sich sie Zeit unseres Lebens und alles bleibt willenlos haftend an der Oberfläche dieser künstlich strahlenden Welt. Das Kaleidoskop dreht sich nicht mehr, die Farben bleiben überschattet und alles spektrale verliert sich im Grau des dumpf pochenden Gefühls hinter der eisernen Stirn. Augen die nicht mehr sehen, Münder die keine Wahrheit mehr kennen.

So möchte ich meinen Blick wieder schärfen, möchte Farben wieder sehen lernen. Wie ein Schwamm den Pathos der Zeit aufsaugen und ihn zu meinem Schicksal machen. Darin versinken und der äußeren Sinnlosigkeit entkommen. Doch halt-und kraftlos blicke ich jenem Unterfangen entgegen, das mich erwartet. Ein Leben in Einheit, ein Leben in zügelloser Verschwendung. Der Wunsch nach der Unterdrückung jener Euphorie des Konsums und sich simultan schwelgend in der Verzückung des Einfachen zu begeben. Nach den Ursprüngen zu graben, immer tiefer und dabei des Wahnsinns zwar nahe doch der Wahrheit noch näher zu sein. Der Wunsch nach reiner Authentizität, dem unverblümten existenziellen Sein.

Sich selbst dabei genügend, mir gegenüber und dem Außen. Bindungen spüren, Vernetzungen annehmen, dem Lauf der Dinge freudig erwartend entgegenblicken. Möchte hier sein um neue Anekdoten zu schaffen, welche mit mehr Vertrauen in das Unbeständige einhergehen. Die Unsicherheit annehmen und in ihr die ersehnte Ruhe finden. Zum Nabel des Einfachen zurückkehren und sich dabei selber finden.